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Abenteuer
Pflegekind
Lass mich Deine Mama sein |
Vorweg:
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Mehr als fünf Jahre lang bin ich inzwischen die
Mutter einer heute sechseinhalb jährigen
Pflegetochter. Und doch hat mich mein geliebtes
Kind nicht seine Mutter sein lassen, weil es
dazu nicht in der Lage war – mich nicht annehmen
konnte, gegen mich kämpfte. Ich durfte so
manches Schöne und Spannende mit ihr erleben.
Allerdings überwogen in diesen Jahren die Sorgen
und die Verzweiflung die ich erleben musste, um
und mit meinem Kind. Mein Kind, mein Mann, meine
Familie, unsere ehrlichen Begleiter und ich sind
in den zurückliegenden fünf Jahren einen
schweren Weg gegangen. Vor allem jedoch ich. Ich
führte einen erbitterten Kampf für mein Kind, um
mein Kind und mit meinem Kind um sein
Seelenheil. Heute kann ich sagen, ich habe es
geschafft. Mein Kind, und darüber werde ich
gleich berichten, kann mich nach fünf Jahren
endlich als ihre Mutter annehmen. Auch wenn wir
immer wieder Krisensituationen zu bewältigen
haben, so kann mir und meinem Kind dieses Gefühl
niemand mehr nehmen – wir sind nach fünf Jahren
endlich Mutter und Tochter geworden.
Den schwersten Weg allerdings, musste mein
kleines liebes Kind gehen und sie geht ihn immer
noch.
Mit Sicherheit wird der eine oder andere Leser
dabei sein, der absolut kein Verständnis für das
haben wird, was er im Verlaufe dieses Buches
lesen wird. Möglicherweise wird er der Meinung
sein, dass ich eine unfähige Mutter bin, dass
mir das Kind weggenommen gehört und jedes
Familiengericht der gleichen Meinung sein würde.
Es wird Leser geben, die an ihre Grenzen
gelangen werden. Diese Leser werden Menschen
sein, deren Vorstellungskraft bei weitem nicht
reicht, um sich nur annähernd vorstellen zu
können, wie es in Pflegefamilien vor sich gehen
kann, was geschehen kann und womit man
konfrontiert werden kann, wenn man ein
Pflegekind – ein geschädigtes Kind – behüten,
lieben und versorgen möchte. Ich habe erlebt,
dass selbst die nächsten Menschen um mich herum
oftmals mit Verständnislosigkeit oder
Fassungslosigkeit reagierten, wenn ich von dem
Einen oder Anderen erzählte.
Menschen die dieses Buch lesen, selbst
Pflegeeltern sind – vielleicht haben sie es noch
viel schwerer als ich – werden sich freuen ein
Signal zu empfangen, sich selbst zu erkennen und
zu spüren: „Du bist nicht allein!“.
Wenn Du Leser den Mut aufbringst, über den
Schatten deines Verständnisses und so „normalen“
Lebens bereit bist zu springen, dann wirst Du es
auch schaffen dieses Buch bis zu Ende zu lesen.
Dieses Buch wird Dich an die Grenzen Deines
Verständnisses bringen – diese Erfahrungen habe
ich bereits gemacht. „Normalos“ werden durch
meine Zeilen überfordert. Doch ich, andere
Pflegeeltern werden das, was Du gleich lesen
wirst, als völlig gewöhnlich in der
entsprechenden Lebenssituation des Pflegekindes,
als auch der Pflegeeltern einzuordnen wissen.
Darum stelle ich Dir, lieber Leser, die Wahl:
Bist Du stark genug meine Geschichte zu lesen,
sie zu akzeptieren und zu verarbeiten,
vielleicht auch zu verstehen? Dann lies
weiter!!!
Oder
Bist du ein Mensch, der stets an seinen
Prinzipien festhält, wenn es um außergewöhnliche
Lebensumstände geht, wenn es richtig schwierig
wird? Ein Mensch, der in der Mitte des Buches,
als ich in der schwierigsten Situation meines
Lebens war, aufhören wird zu lesen und nur noch
urteilt?
Bist du ein Mensch, der nur seine „Normalität“
respektieren kann und keine weitere? Du bringst
keine Bereitschaft mehr auf weiterzulesen, ob
sich doch etwas zum Guten wendet und mich lieber
als versagende Mutter sehen, dir vorstellen, es
wäre besser mir würde das Kind entzogen? Weil du
dir nicht vorstellen kannst, wie es in
Pflegefamilien sooft „abgeht“, was Pflegeeltern
für Entbehrungen zu ertragen haben, wie sie
leiden müssen unter und mit ihren Zöglingen?
Wenn du so jemand bist, dann solltest du an
dieser Stelle mein Buch aus der Hand legen. Ich
weiß nicht, ob es beruhigend für Dich ist, doch
dann, wenn Du kein Verständnis mehr für mich
haben wirst, so kann ich Dir versichern: Das ist
ganz normal, wenn man mit einem seelisch
geschädigten Pflegekind sein Leben verbringt.
Und ich bin nicht diejenige Pflegemutter, so ich
weiß, die es am schwersten hat, die es am
schlimmsten getroffen hat – es geht auch
schlimmer. Ich bin nur diejenige, die den Mut
hat ihre Geschichte offen zu erzählen, also mich
öffentlich zu meinem Leben zu bekennen.
Vorher möchte ich allerdings noch über drei
Begriffe informieren, welche dem Leser in diesem
Buch immer wieder begegnen werden. Diese lauten
„Anpassungsphase“, „Übertragungsphase“ und
„Regression“. Im entsprechenden Kapitel werde
ich anfangs sehr intensiv auf deren Bedeutungen
eingehen. Doch ich möchte schon vorher diese
Begrifflichkeiten und deren Bedeutung näher
bringen, um Irritationen zu vermeiden.
>>> weiter lesen im Buch .
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I. Der Weg - Erste
Begegnung |
Die Ereignisse
begannen sich immer mehr zu überstürzen. In
jener Zeit arbeitete ich als Grabungszeichnerin
in der Archäologie. Ich hatte es nicht leicht,
denn ich litt unter meiner neurotischen
Grabungsleiterin – sie mochte mich einfach
nicht. Und nun noch ein Pflegekind? Ein wenig
fehlte mir der Mut. Ich war reichlich erschöpft,
denn die Arbeit war anstrengend, mein Arbeitsweg
weit und mein Arbeitstag lang. Schneller als mir
lieb war, meldete sich Frau Möller vom
Jugendamt. Sie vereinbarte mit uns und dem
kleinen Mädchen schon für den 5. November ein
Treffen im Jugendamt. Es waren nur noch wenige
Tage bis dahin. Einerseits war ich etwas
ängstlich und aufgeregt und doch war ich auch
unendlich gespannt und voller glückseliger
Vorfreude, bald meinem zukünftigen Kind zu
begegnen.
So kam endlich
der große Tag. Es war kalt, grau und regnerisch
an jenem Novembertag. Wieder versuchten wir
nicht überpünktlich zu sein, doch auch diesmal
gelang es uns nicht. Wie wir später mitbekommen
sollten, war die Pflegemutter, bei der mein
zukünftiges Kind noch lebte, noch pünktlicher
als wir und bereits im Jugendamt. Als wir aus
dem Auto stiegen war mir regelrecht schwindlig,
meine Knie zitterten, der Rest meines Körpers
auch. Mein Herz raste und mir schossen unendlich
viele Gedanken durch den Kopf.
Ich war so nah am
Ziel eine Mama zu werden, doch was, wenn mich
das kleine Mädchen nicht mochte, wenn sie mich
nicht als Mama wollte? Ich spürte Angst und
Unsicherheit. Wieder waren wir in dieser
düsteren Villa, nur diesmal nicht im Keller. Wir
klopften vorsichtig an die Tür, Frau Möller
öffnete ganz leise und sachte die Tür von innen
einen kleinen Spalt und flüsterte uns etwas
entgegen. Wir erwarteten gar nicht, dass das
Kindlein bereits da wäre, doch sie war bereits
in diesem großen Raum. Es muss eine Art
Konferenzraum gewesen sein, denn er war sehr
groß und in dessen Mitte stand eine lange
bestuhlte Tafel. An der Stirnseite der Tafel saß
eine ältere, blondgefärbte und stark
geschminkte, aber sehr freundlich wirkende Frau.
Sie saß etwas zusammengekauert mit dem Rücken
leicht zu uns gedreht, denn sie hielt das kleine
verunsicherte Mädchen auf ihrem Schoß. Mir blieb
beinahe das Herz stehen, so sehr aufgeregt war
ich. Ich spürte mein Herz so sehr schlagen, dass
ich es bis unter die Schädeldecke fühlte. Wir
gingen in den Raum. Indes richtete sich die Frau
auf und ein erster flüchtiger Blick zwischen mir
und meinem zukünftigen Kind trafen sich. Dann
setzte sie die Kleine auf den Boden und wir
wurden vorgestellt. Ich spürte eine gewisse
Verunsicherung bei der Pflegemutter. Heute ist
mir bewusst, das kleine Mädchen war bereits viel
zu lange bei ihr und demnach hatte sich eine
zwangsläufig engere Bindung zwischen ihnen
aufgebaut, als je erwünscht gewesen wäre. Sie,
Milena, war gerade in der Phase die Funktion
ihrer Füße zu entdecken. Was heißt, sie begann
langsam zu laufen und allein aufzustehen. Sie
strahlte wie der Sonnenschein selbst. ...
Schnell krabbelte
sie wieder in die sicheren Arme der Pflegemutter
zurück, linste zu mir und lachte verschämt. Das
ging ein paar Mal hintereinander. Ich spürte,
sie lud mich ein mit ihr zu spielen. Sie
krabbelte wie ein Sausewind über den Boden und
ich lief hinterher. Schließlich hielt sie meine
Hände und bedeutete mir, ich solle ein paar
Schritte mit ihr laufen. Das tat ich. In diesem
Moment holte das kleine Mädchen sicherlich ihre
eigene Verunsicherung wieder ein, sie strebte
zur Pflegemutter zurück und wurde weinerlich.
Damit war meine erste Begegnung vorüber und auch
das Zusammentreffen. Es wurde noch irgendetwas
verabredet, doch das Gesprochene ging an mir
vorbei. Mit diesem Problem haben wir heute noch
zu kämpfen: Milena ist noch immer schnell
verschreckt und verängstigt und die kleinste
Abweichung vom Schema „F“ wirft sie aus der
Bahn.
>>> weiter lesen im Buch
|
V. Die
Anpassungsphase - Erstes gemeinsames Jahr – ein
Rückblick
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Wir lebten mit
einem Sonnenschein, trotz der widrigen Umstände.
Milena gewöhnte sich schnell an ihre neue
Umgebung und nahm alles freudig und dankbar an,
was wir ihr boten. Wir drei waren unendlich
glücklich und zufrieden. Welche wunderbaren
Spielnachmittage verbrachten wir miteinander.
Egal ob wir bei Regenwetter im Arbeitszimmer
tobten, ich gemeinsam mit Milena am Keyboard
spielte oder wir im Sommer gemeinsam im
Planschbecken badeten. Manchmal lagen Herrmann
oder ich auch einfach nur auf dem Liegestuhl
oder dem Teppich, das Kind auf dem Bauch und
schmusten schweigend für lange Zeit. Immer
wieder beglückwünschten wir uns gegenseitig,
welches Glück wir mit diesem Kind doch hätten.
Wahrlich, die Kleine entwickelte sich prächtig
und schien in ihrer Entwicklung ihrem Alter
davon zu preschen. Sie begann sehr schnell
sicher zu laufen, auf das Töpfchen zu gehen und
sauber zu werden. Ebenso begann sie frühzeitig
sehr gut und deutlich zu sprechen. Schon im
Alter von zwei Jahren und sieben Monaten sprach
sie ihren ersten „Drei-Wort-Satz“: „Papa heise
bald“, soll übersetzt heißen „Papa ist bald zu
Hause“. Im gleichen Alter ging sie auf das
Töpfchen, trank aus Becher und Schraubflasche,
aß mit dem Löffel allein ihr Mittagessen, wusch
sich in der Wanne bereits spielerisch selbst mit
dem Waschlappen oder räumte vor den Mahlzeiten
ihr Spielzeug selbständig auf. Natürlich
entwickelten sich auch ihr geistiges Vermögen,
ihre Logik, ihre Merkfähigkeit und ihre
Weitsicht explosionsartig. Einige Beispiele:
Wir haben in
unserem Garten einen großen, künstlich
angelegten Teich. Sehr dankbar sind wir dafür,
dass aus diesem Ziergewässer ein natürliches
Biotop geworden ist, was heißt, die
verschiedensten Arten von Tieren bewohnen diesen
Teich. Seien es nun Libellen, Molche, Kröten und
Frösche. Sogar der seltene Braunfrosch besucht
unseren Teich. Milena spielte in ihrem
Sandkasten. Dabei fiel ihr eine Sandform in Form
eines grünen Frosches ins Auge. Sie schnappte
das Sandförmchen trug es Richtung Teich und
bedeutete uns, sie wolle es in den Teich setzen,
da Frösche in den Teich gehören und nicht in den
Sandkasten......
>>> weiter lesen im Buch
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VI. Die Übertragungsphase
- Wenn kindlicher Terror zum Alltag wird
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Milena war im
dritten Lebensjahr. Bekanntlich durchleben die
lieben Kleinen mit drei Jahren ihre erste
intensive Gnatz-Phase. So dachten auch wir an
eine solche Phase und hofften, sie würde bald
vergehen. Welcher fatale Trugschluss für uns. Im
Verlaufe der Monate beobachteten wir, dass
Milenas Terrorphasen immer länger anhielten und
intensiver wurden. Das bedeutete: anfänglich gab
es die eine oder andere Situation in der sie
ausbrach und gegen uns kämpfte, doch bald wurde
dieses Verhalten permanent, also vom Aufstehen
bis zum Schlafengehen. Dieses Verhalten zeigte
sie phasenweise. Zu Beginn der Übertragungsphase
gab es mal einen Tag oder auch zwei, an welchen
sie Schwierigkeiten machte, anschließend gab sie
wochenlang Ruhe und war recht leicht zu
handhaben. Im Verlauf der Zeit wurden die
Terrorphasen nicht nur intensiver, sondern auch
länger, während sich die Ruhephasen sehr
verkürzten und immer seltener wurden.
Schließlich, im Frühjahr 2011, verschwanden die
Ruhephasen völlig, es gab nur noch eine lange
intensive Terrorphase.
Während dieser
Phasen kamen wir kaum mit Milena zurecht und es
wurde von Mal zu Mal schlimmer – Milena wurde
von Mal zu Mal schlimmer. Sie verweigerte sich
immer mehr, Hauptsache: Dagegenhalten schien ihr
Credo. Wir konnten erklären, schmusen, vergeben,
schimpfen oder auch strafen wie wir wollten,
nichts half, nichts nahm sie mehr an. Sie wurde
immer aufsässiger und je besser sie sprechen und
denken konnte, auch diskussionsfreudiger,
vorlauter und frecher.
Milena ist ein
sehr schlaues und intelligentes Kind. Wenn man
das bei Kleinkindern schon so sagen kann, so ist
sie sehr schlagfertig, ausgekocht und
berechnend. Ihre Intelligenz verstärkte den
Terror noch. Sie vermochte immer besser uns bis
zur „Weißglut zu provozieren“.
Einige Bespiele:
......
Bereits im
November/Dezember 2010 entwickelte Milena eine
neue Qualität ihres persönlichen Terrors gegen
uns. Diese paarte sich genial mit ihrem bereits
vorhandenen ignoranten, sturen, frechen und
widerspenstigen Verhalten. Milena wurde
plötzlich taub auf den Ohren. Dummstellen und
kein Hörvermögen, wurde Milenas neue Wunderwaffe
in ihrem Kampf gegen uns. Ja, ich bin ehrlich,
sie hatte unendlichen Erfolg mit dieser Waffe.
Noch intensiver als bisher, legte das Kind
unsere Nerven frei, denn nun reagierte sie gar
nicht mehr. Unsere kleine Maus reagierte weder
auf die erste ruhige normale Ansprache, noch auf
die letzte vehemente. Unser Kind reagierte nur
noch auf uns, wenn wir sie an den Armen packten
und anbrüllten. Allein diese Sprache nahm sie
noch wahr, auch wenn sie sie nicht verstand –
ergo, sie folgte kein bisschen mehr, nahm kein
bisschen mehr an – sie machte absolut dicht!
Allabendlich
verzweifelten wir immer mehr. Schließlich
fragten wir uns, ob sie vielleicht doch ein
Hörproblem haben könnte. Ich war mir sicher:
Nein – hat sie nicht. Dennoch waren
Unsicherheiten in meinem Gefühl. Passend in
dieser Situation hatte Milena in diesem Winter
die sogenannte „U8-Untersuchung“ zu überstehen.
Bereits zitternd und voller Pessimismus gingen
wir mit dem Kind zum Kinderarzt. Und wahrlich,
Milena vergeigte, was zu vergeigen war. Es waren
verschiedene Tests zu absolvieren zu Motorik,
Sprache, logischem Denken, Sehen und als letztes
das Hören. Die ganze Zeit beobachteten wir, wie
Milena sich mehr und mehr einen Spaß daraus
machte sich blöd, blind und taub zu stellen. Je
mehr die Schwester kicherte, umso mehr schien
Milena ihre Plattform zu nutzen. Ihre Augen
leuchteten immer mehr und ihr Gesichtsausdruck
wurde immer süffisanter, während wir immer mehr
verzweifelten und innerlich bebten, auch wenn
wir schweigend da saßen. Der letzte Test war der
Hörtest. Das Ergebnis dessen war für uns
gleichermaßen erwartet wie zerstörerisch:
„Milena hat ein sehr schlechtes Gehör, sie ist
möglicherweise hörbehindert.“ Aus diesem Grunde
durften wir den Hörtest mit ihr zwei Wochen
später wiederholen. Das Ergebnis war genauso
zerschmetternd, wie wir es erwarteten, nämlich
keinen Deut besser. Schlussendlich wurden wir
mit dem Kind zum Hals-Nasen-Ohren-Arzt
überwiesen, um herauszufinden zu lassen, warum
sie so schwerhörig war. Diesen Weg hätten wir
uns wirklich sparen können, doch was blieb uns
übrig? Wir suchten die HNO-Ärztin auf, sie
untersuchte und testete das Kind und
anschließend erklärte sie uns, Milena hat ein
einwandfreies Gehör.
Mir war der
Ausgang dieses Arztbesuches schon vorher klar.
Ich beobachtete das Kind im Vorfeld sehr
aufmerksam, sowohl beim Hören, als auch beim
Sehen. Ich flüsterte ganz leise mit ihr, ich
fragte nach winzigen Dingen, die in der Ferne zu
sehen waren, ich testete sie permanent auf die
verschiedensten Weisen und stellte fest: Mein
Kind hat Adleraugen und Ohren wie ein Lux. Auch
bei der „U9-Untersuchung“ vergeigte Milena, was
zu vergeigen ging, dieses Mal war es der
Sehtest. Milena machte sich einen riesen Spaß
draus die Dinge falsch zu bezeichnen. Ihre Augen
leuchteten wie bei einer Katze des Nachts und
die Schwester verlor fast jeden Glauben, was
Milena natürlich in ihrem Tun bestärkte
intensiver ihren Schabernack zu treiben. Heute
kann ich darüber lachen. Die Diagnose des
Kinderarztes lautete: Milena ist auf dem linken
Auge sehbehindert da sie nur ein Sehvermögen von
maximal 60 Prozent auf diesem Auge hat. Unser
Weg führte uns nun zur Augenärztin, doch auch
dort bewies Milena ihre Stärke im „Dummstellen“.
Nur darum fahren wir wieder und wieder zur
Augenärztin zu Kontrolluntersuchungen, doch ich
weiß, mein Kind braucht keine Brille, genauso
wenig wie ein Hörgerät.
Milenas Verhalten
war neu für uns, doch ich erkannte und
durchschaute ihr Spiel. Beim HNO-Arzt war Milena
mit der Schwester allein während der
Untersuchung, doch bei der Augenärztin waren wir
dabei. Milena hatte ihre Bühne und ihr Publikum,
eine perfekte Plattform ihrem Possenspiel freien
Lauf zu lassen und sie nutzte es gnadenlos aus.
Alle, aber auch alle fallen auf die Possenspiele
unseres Kindes herein, denn sie wissen ihr
Grinsen und das Blitzen ihrer Augen nicht zu
deuten – das vermag nur ich – niemand sonst.
Wenig später waren wir bei einem ärztlichen
Auswertungsgespräch im Soziopädiatrischen
Kinderzentrum der Landeshauptstadt, in welchem
Milena von Psychologen und Kinderärzten
untersucht und getestet wurde, unter anderem auf
Konzentrationsstörungen und auf ihre
Intelligenz. Herrmann und ich runzelten die
Stirn, während die Mediziner sich
ernsthafterweise äußerten und wir grinsten uns
etwas süffisant an. Wir erkannten, Milena gab
sich zwar etwas mehr Mühe als beim letzten Test,
doch trieb sie letztlich wieder ihr Possenspiel.
Als wir das Kinderzentrum verließen, bemerkte
mein Herrmann sehr treffend: „Wir werden niemals
beweisen können wie sie wirklich ist, denn sie
wird sich immer verstellen. Wir sollten uns
damit abfinden, dass nur wir wissen, wie und wer
sie ist.“ Recht hat er, denn Milena wird wieder
und wieder ihre Possenspiele treiben, sobald sie
ihre Bühne gefunden hat. Warum denke ich in
diesem Zusammenhang an Till Eulenspiegel? Weil
meine Milena genauso ist wie er war. Sie ist der
Mini-Till Eulenspiegel des 21. Jahrhunderts für
uns.
>>>
weiter lesen im Buch
|
VII. Auf
die harte Tour - Mama – Staatsfeind Nr. 1
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Mir ist völlig
klar, dass alles was ich nun beschreiben werde,
weder mein Mann noch mein Kind beabsichtigten,
noch dass es ihnen beiden bewusst gewesen sein
könnte. Mir wurde es auch erst später bewusst.
Gelitten habe ich dennoch von Anfang an. Doch es
ist überwunden und ich bin endlich eine
glückliche Mutter. Bitte denke
daran, wenn Du die folgenden Seiten liest.
……..
Nach und nach
entwickelte sich unsere familiäre Struktur so,
dass ich mich immer mehr allein fühlte und wie
Don Quijote de la Mancha gegen Windmühlen
kämpfte – gegen mein/um mein Kind und zunehmend
gegen meinen eigenen Mann – besser gesagt, beide
gegen mich, so empfand ich es jedenfalls. Milena
wurde mir gegenüber immer schlimmer. Ich
hingegen hatte immer weniger Rückenhalt durch
meinen eigenen Mann, im Gegenteil, er fiel mir
mehr und mehr in den Rücken. Langsam kam ich mir
nicht mehr vor wie ein Fantast – Don Quichote –
sondern ich erlebte hautnah, dass meine kleine
Familie mich bekämpfte. Warum nur?
Ich konnte es nicht begreifen, da ich doch
meinte gerecht, umsichtig, konsequent und klug
genug zu handeln. Dennoch, ich hatte keine
Chance, alles wurde schlimmer, ja sogar so
schlimm, dass ich nach und nach Angst davor
hatte von der Arbeit nach Hause zu kommen.
>>> weiter lesen im Buch
|
VIII. Die
Regression - Mama ist gefragt |
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Bislang kannte ich nur den Kampf meines Kindes
gegen mich. Nun war ich gefragt wie nie. Milena
ließ sich schlagartig auf ihr Baby-Sein ein,
entsprechend war und bin ich nun als Mutter in
die Pflicht genommen. Ich blickte einer mir
völlig neuen und unbekannten Aufgabe entgegen,
doch ich freute mich darauf, weil es meine
Chance war, dass mein Kind mich endlich als
Mutter anzunehmen bereit schien.
….
So zog es sich
durch den gesamten Tag – Milena wollte nur noch
Mama – anstrengend, neu, aber endlich ließ sie
mich sein! Meine Tage wurden unendlich kurz und
gleichermaßen unendlich lang. Ich weiß, die
Vorstellung ist schwerlich nachzuvollziehen:
doch ich kam wieder einmal ans Ende meiner
Grenzen, meiner Kräfte und meiner
Belastungsfähigkeit. Mein Kind hatte in den
letzten Jahren – der Übertragungsphase – schon
zu viel daran gezehrt. Doch nun wurde ich umso
heftiger gefordert und ich war dankbar dafür und
fand es schön – unendlich schön.
Bisher war Milena
ein „großes“ Mädchen, welches stolz darauf war
auf ihrem großen Stuhl zu sitzen, das gleiche
Besteck und Geschirr wir wie zu benutzten, sich
von Zeit zu Zeit die Schnitte selbst zu
schmieren und wie selbstverständlich mit Messer
und Gabel zu essen. Sie freute sich darüber in
einem großen Bett zu schlafen, nie mehr ins Bett
zu nässen und ohne Windeln auszukommen. Sie
stürmte im Bad auch dem „Groß-Sein“ entgegen,
denn sie brauchte bald weder Hocker am
Waschbecken, noch etwas später eine Fußbank,
wusch sich und schrubbte sich mit der Handbürste
die Fingernägel selbst. Wir waren sogar soweit,
dass sie sich die Zähne sehr gut allein putzen
und allein waschen konnte. Beinahe hätten wir
sie allein ins Bad gehen lassen können.
All das, all die
Errungenschaften des „Großwerdens“ gehörten
Handumdrehen zur Vergangenheit.
Zurück zu den
neuen morgendlichen Ritualen: Sobald unsere
Schnittchen essbereit auf meinem Teller lagen –
Milenas in Babyhäppchen – war auch Herrmann mit
ihr im Bad fertig. Ich konnte es immer sehr
deutlich hören, denn ich hörte erst ein
Baby-Babbeln und dann lautes Geschrei. Nein, es
gab keinen Ärger, das „Baby“ war lediglich auf
der Schwelle stecken geblieben und kam nicht
mehr weiter. Warum? Bereits nach wenigen Tagen
der Regression begann Milena sich ausschließlich
durch Krabbeln fortzubewegen. Da sie ja nun ein
kleines Baby war, konnte sie derlei Hürden wie
eine Schwelle noch nicht überwinden. Also
stürzte sie und lag schreiend auf der Schwelle.
Ich musste jedes Mal aufspringen, ihr wieder auf
die Knie helfen. Wie ein „Sausewind“ krabbelte
sie durch das Arbeitszimmer und scheiterte
erneut an der Schwelle zur Küchentür. Wieder lag
sie da und schrie, wieder musste ich sie über
die Schwelle heben, trösten und auf die Knie
setzen – stets nur ich – Papa war nicht gefragt.
Kaum war sie wieder auf den Knien, krabbelte sie
auf den Teppich, lies sich umfallen und „schlief
ein“. Natürlich nur scheinbar, denn sie wusste,
Babys schlafen viel. Meine Aufgabe bestand nun
darin, das Baby auf dem Boden liegend sanft zu
wecken, aufzuheben und mich mit ihr im Arm auf
den Küchenstuhl zu setzen, um es zu füttern.
…..
In Milenas
Regressionshoch musste einer von uns beiden sie
stets die Treppe in ihr Kinderzimmer hinauf
tragen. Mal wie ein Baby, Mal wie ein Kleinkind,
ab und an krabbelte sie auch selbst die Treppe
hinauf. Doch meist musste ich es tun, ich war
die Mama, die neue Errungenschaft. Derjenige,
der hinterher ging, hatte allerdings auch alle
Hände voll zu tragen, als da waren: Kleidung,
Fläschchen, Töpfchen, Kuscheltier, Nuckel und
was sonst so noch für die Nacht und den
folgenden Morgen vom Baby benötigt wurde. Nach
den üblichen Ritualen wie
„Gute-Nacht-Geschichte“, „Hui-Wusch“ (eine von
mir ritualisierte Weise das Kind zu schaukeln)
und andere, verabschiedeten wir uns vom Baby zur
Nacht. Doch kaum zwei Minuten später musste ich
wieder zum Baby, denn es hatte inzwischen in die
Windeln gemacht, meistens eine „Stinkbombe“. Mal
schrie sie wie ein Säugling und lag bei meiner
Ankunft im Kinderzimmer bereits wie ein Baby auf
dem Windelplatz oder erwartete mich strampelnd
und wimmernd im Bett. Ich musste sie heraus
heben und auf den Windelplatz legen. Manches Mal
baute sie sich auf dem Flur vor ihrem Zimmer ein
Lager aus Decken und Kissen, um zu beobachten
wann und wie ich kam. Auch dann musste ich sie
stets vom Boden aufheben und auf den Windelplatz
legen. Nun war Zeit die Windel zu wechseln und
das Baby anschließend ins Bett zu legen In
dieser Zeit, begann Milena am Abend Gespräche
mit mir zu suchen, Gespräche zu ihr, ihrer
Herkunft und ihrer Geschichte.
>>> weiter lesen im Buch
|
IX.
Fridolin - Erkenntnis meines Kindes |
Im Laufe der
Arbeit mit Frau Kolbe und während der
Regressionspause schien mein Kind neue geistige
Wege zu gehen. Ihr Bewusstes schien mit ihrem
Unterbewussten in Kommunikation zu treten. Denn
vieles was sie äußerte, ihre Emotionen und
Gedankengänge ließen uns so manches Mal
erstaunen, aufhorchen und regelrecht erschauern.
Zwar verdarb sie
uns nun wieder regelmäßig die Wochenenden, auch
heute noch manchmal, doch sie sinnierte anders
darüber. Während sie unter der Woche recht gut
zu handhaben und zu „ertragen“ war, legte Milena
ab Freitagnachmittag allergrößten Wert darauf
wieder zu provozieren, sich gegen uns
aufzulehnen und einfach ignorant zu sein. Doch
nun in einer völlig neuen Qualität, mit welcher
wir erst einmal zurechtkommen mussten. Dann kam
es schon vor, dass der Vormittag oder Tag sehr
unschön und anstrengend waren und Milena mit
einer strengen Ansage zur Mittags- oder
Nachtruhe gebettet wurde. War diese vorüber, so
war sie wie ausgewechselt, sofern sie wirklich
etwas geruht oder geschlafen hatte. Dann sprach
sie über ihre Träume oder viel mehr darüber, was
sie überlegt und gedacht hatte. Dann und wann
stand sie uns mit wirren Haaren, verschlafen,
aber friedlich strahlend gegenüber und erklärte
uns, sie hätte während des Schlafes „in ihrem
Kopf aufgeräumt“. Jedes Mal standen wir völlig
überwältigt und verblüfft da und wussten schwer
zu reagieren. Nach und nach kam mir der Gedanke,
dass unser Kind Kontakt mit ihrem
Unterbewusstsein, also ihrer traumatischen
Vergangenheit aufnahm. Sie begann sich mit ihrer
vergrabenen, frustrierenden Vergangenheit
auseinanderzusetzen. Darüber sprachen wir mit
Frau Kolbe. Sie bestätigte meine Gedanken und
sie fand Milenas Verhalten sehr fortschrittlich,
auch wenn es uns meistens nicht so erscheinen
konnte.
|
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|
Regression total |
Eine Woche nach Fridolins körperlicher Geburt
fiel mein Kind in eine Regressionsphase,
intensiv wie nie dagewesen. Wenn ich dachte sie
forderte mich mit all meinen körperlichen und
geistigen Kräften bisher schon, so belehrte sie
mich eines Besseren.
Mein Kind wurde
urplötzlich nochmals zum Baby. Dieses Mal
allerdings neugeborenen Säugling, mit allem was
dazu gehört. Von einer Minute zur anderen
veränderte sie ihr Verhalten nachhaltig. Es war
Wochenende. Morgens standen wir wie gewohnt auf,
frühstückten und dann ging es los. Plötzlich
fiel mein Kind auf die Knie. Sie hatte den
„Hauptschalter“ in sich umgelegt, so erkannte
ich erst später, denn sie hörte nicht auf.
Inzwischen waren wir ja gewohnt, dass Milena mit
abnehmender Tendenz ab und an und zu bestimmten
Tageszeiten zum Baby wurde. Dann war es so und
endete auch schnell und abrupt. Doch nun? Es
wurde ein Dauerzustand und wir hatten uns wieder
sofort darauf einzustellen.
Mein Kind
schlüpfte nicht nur in die Rolle eines Babys,
sondern in die Rolle eines Neugeborenen, was
bedeutete, dass sie sich nur noch kriechend
fortbewegte, wenn überhaupt. Zumeist musste ich
sie tragen. Es ging gar nichts mehr, sie lag da,
konnte nichts, schrie wenn sie Bedürfnisse hatte
und babbelte nur vor sich hin – eben die
Verhaltensweisen eines Neugeborenen. Ich war
noch mehr gefordert und gefragter als zuvor
…….
Ich sprach
darüber, dass ich mein Kind stillte. Nun
entwickelte sich eine Hochzeit diesbezüglich.
Milena wartete nicht mehr bis wir allein in
ihrem Zimmer waren. Sie wurde gierig nach Mamas
Brust, sodass sie mir manchen Tags direkt nach
dem Essen das Oberteil meiner Kleidung vom Leib
schob, sich nach dem Duschen, wenn ich noch
nackt und pudelnass war, oder, oder, auf ihre
„Nahrungsquelle“ stürzte. Wie selbstverständlich
legte sie mich frei und sog. Mit zunehmender
Tendenz geschah der Stillvorgang im Bad. Immer
wenn ich sie auf die Waschmaschine setzte wollte
sie trinken. Dann verlangte sie von mir, sie wie
einen Säugling in den Arm zu nehmen, mich auf
den Toilettendeckel zu setzen und zu stillen.
Mehr und mehr wurde ihr Saugen intensiver,
ernsthafter. Sie lag in meinem Arm, umklammerte
meine Brust mit ihren Händchen und sog so sehr
sie konnte. Oftmals kam mein Mann nach einer
gewissen Zeit ins Bad, der Meinung sicher, das
Kind würde bereits bettfertig sein, doch dann
sah er uns in unserer einträchtigen und
harmonischen Situation. Anfänglich kam er damit
schwer zurecht, wurde wütend und macht mir und
dem Kind Vorwürfe was das solle, oder ließ
provozierende Bemerkungen fallen. Nach vielen
erklärenden und beruhigenden Worten meinerseits,
konnte er es etwas ertragen. War seine
Eifersucht etwa immer noch zugegen? Ja,
definitiv und er war völlig überfordert und
verständnislos! Mein Baby lag in meinen Armen
und sog die Energie ihres Lebens, ich damit
auch. Allabendlich dauerte der Stillprozess
länger, letztlich wurden zwanzig Minuten daraus.
Milena konnte die Uhr schon lesen und setzte
sich das Ziel eine ganze Stunde zu trinken. Ich
erklärte ihr, dass es darauf nicht ankäme,
sondern nur auf ihr Gefühl und dass sie „satt“
würde. Als sie endlich die Uhr außer Acht ließ,
konnte sie sich auch richtig intensiv auf das
Eigentliche einlassen. Mein Kind lag in meinen
Armen, umklammerte meine Brust, schloss die
Augen und sog. Dabei beobachtete ich, wie sehr
sie in diesen Momenten zur absoluten inneren
Ruhe, Zufriedenheit und Ausgeglichenheit kam. So
manches Tränchen der Geborgenheit und des Glücks
kullerten dabei über die Wangen meines Kindes,
wie auch über die meinen. Immer öfter wog ich
sie dabei hin und her. Wenn nicht, setzte mein
Kind mich in Bewegung, ich summte ein Liedchen…
Für mich hätten diese Momente eine Ewigkeit
anhalten können.
>>>
weiter lesen im Buch
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X. Heute - Endlich Mama
sein |
Im Laufe von
Milenas Regression hatte sich schon so viel
geändert, dass ich es kaum fassen konnte. Ich
lernte zunehmend ein anderes – mein neues – Kind
kennen, schätzen und mütterlich ehrlich lieben.
Milena legte zunehmend ihren Terror, ihre
Widerspenstigkeit, ihre Gleichgültigkeit und
ihren Kampf gegen mich ab. Sie begann mich als
Mutter an- und wahrzunehmen. Ich hingegen konnte
meine Verzweiflung, meine Wut, meinen Groll,
meine Strenge und meinen Verteidigungszwang
ablegen und gegen Zuneigung und Nähe
eintauschen. Immer öfter ließ sie sich auf mich
ein, lenken und leiten, wie es normalerweise
sein sollte. Milena wurde mir gegenüber
kritikfähiger und verträglicher. Das bedeutet,
dass sie auch in der Lage ist Unrecht ihrerseits
einzuräumen. Wo sie früher auf Kritik
meinerseits mit noch mehr Gegenwehr geantwortet
hätte, folgt sie nun meistens und entschuldigt
sich für ihr Verhalten.
Das bedeutet,
mein Kind hat mich als wichtigsten
Bezugsmenschen in ihrem Leben erkannt und
angenommen. Was wiederum dem Papa zu schaffen
machte – war er es doch bislang. Ich bin die
Erste die gesucht wird, wenn es irgendein Leid
bei meinem Kind gibt. Gab es früher noch mehrere
andere, ganz gleich wen sie als Tröster
erwählte, das war ihr völlig egal, Hauptsache
nicht ich. So können heute mehrere andere
Menschen zwischen uns stehen, sie sucht nur mich
und meine Nähe. Im häuslichen Gefüge drängte
sich mein Mann früher gern vor und ich stand
ausgeknockt daneben, was Milena auch gern so
mittrug und ausnutzte.
…
Ich beobachtete
auch starke Veränderungen meines Kindes mir
gegenüber, was ihre Aufmerksamkeit, ihr
Mitgefühl und ihre zuneigenden Handlungen
anbetrifft. Ich erwähnte mehrmals, dass ich im
vergangenen Jahr zehn Monate lang sehr große
Probleme mit meinen Zähnen hatte. Dies blieb dem
Kind natürlich nicht verborgen, da ich über
Monate hinweg fast mehr beim Zahnarzt als zu
Hause war, viele Schmerzen hatte, zeitweise
weder beißen noch kauen konnte. Heute ist alles
gelöst, hat eben nur viel Zeit benötigt. Doch
mein Kind betrübte sich zunehmend meines Leides
wegen. Als ich ihr dann offerierte, dass alles
bald vorbei sein würde, so wurde sie gelöster.
Sie begann sich Gedanken zu machen, wie sie mit
Papa für mich den Tag besonders schön gestalten
könne. Sie kam auf die Idee für mich eine
„Zahnparty“ zu geben, doch ich gab Milena und
ihrem Papa zu bedenken, dass, wenn es eine
Überraschung für mich sein solle, sie es beide
allein organisieren, planen und durchführen
müssten. Leider war meinem Mann das alles viel
zu viel, er hatte keine Lust und fand immer neue
Ausflüchte um diese Party zu umgehen. Milena war
sehr enttäuscht, die Party fand niemals statt.
…..
Mein Kind ist
mein Kind geworden, wieder selbst Kind geworden,
hat ihre falsche Ebene (die des Erwachsenen)
verlassen können, Liebe und Frieden finden
können. Oder nicht? Eine lange Weile ging es so,
doch vor einigen Monaten stand eine erneute
Veränderung für unser Kind und uns an, welche
uns besser gefiel als unserem Kind. Doch darauf
komme ich noch zu sprechen.
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