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Marienkäfer habens leichter - Offenbarung meiner
Kindheit
Ich das Kind, mein Kind und die anderen |
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Schon durch meine Oma Lotte habe ich vom
Anbeginn meiner Zeit den Blick für die Natur und
den gebührenden Respekt für diese als Urschleim
aufgesogen. Bis heute habe ich ihn keinen Tag
verloren – im Gegenteil – er ist gewachsen und
all das gebe ich meinem Kind weiter. Dann kam
der Sommer im letzten Jahr und ich erkannte:
Marienkäfer haben´s leichter (als ich). Warum?
Ich habe sie beobachtet. Sie versuchen auf ihre
beste Weise den Winter zu überstehen, denn im
kommenden Frühling haben sie etwas vor, ein
einziges Mal. Um überwintern zu können, sind sie
so phantasie- und kraftvoll. Wenn ich helfen
kann, dann tu ich das gern und trage alle paar
Tage die Marienkäfer von einer Pflanze im Hause
zur nächsten, immer in der Hoffnung, der
Marienkäfer könnte sich dort halbwegs
wohlfühlen. Die meisten zogen einen Kaktus in
unserem Haus vor. Der Rest von ihnen blieb
draußen. Bald wärmte die erste Frühlingssonne
die Welt, wir öffneten die Fenster und Türen,
ließen die Frühlingsluft herein… und weg waren
sie vom Kaktus. Letztlich kam ihr großer Tag,
der einzig wichtige in ihrem Leben. Die zwei die
ich sah, saßen auf einer Erdbeerpflanze im
Garten. Sie liebten sich ein einziges Mal und
gingen danach für immer auseinander um zu
sterben. Darauf hatten sie ihr Leben lang
gewartet und doch hatten sie ohne dieses
Ereignis nichts und niemanden vermisst. Jeder
folgte seiner Bestimmung und zog seines Weges in
den Tod. Keinen der Beiden interessierte es,
wann und wo ihr Nachwuchs seinen Lebensweg
begann. Einige Wochen später beobachtete ich den
Nachwuchs. Erst das Ei an der Dillpflanze,
später die Larve an der Trauerweide, die
Verpuppung und sogar den Schlupf der Larve zum
Käfer durfte ich beobachten. Ich sah: In den
ersten Stunden seines Marienkäferdaseins, ist
das Tierchen wie aus Glas und eher gelblich denn
rot. Jeder war glücklich, vermisste nichts und
niemanden – lebte sein Leben. Und dann nimmt
alles wieder seinen Lauf, immer wieder von vorn.
Zwar kümmert sich kein Marienkäfer um den
anderen, egal ob Mutter, Vater, Kind, Oma oder
Tante. Das Beneidenswerte bei den Marienkäfern
ist, dass keiner sich zwar um den anderen
schert, doch es gibt auch keine Zwänge, keine
Bevormundung, keine Verpflichtung, keine, keine,
keine… Eines haben die Marienkäfer zur Genüge:
Zeit! Sie haben alle Zeit der Welt um in Ruhe
erwachsen zu werden. Vom Ei entwickeln sie sich
zur Larve – wie sich bei uns Menschen die Phase
von Zeugung bis zur Geburt vollzieht. Von der
Larve, dem Kind, begeben sie sich in die Phase
der Verpuppung. Bei uns Menschen nennt man das
Kindheit und Pubertät und die verläuft nie in
Ruhe, ganz im Gegenteil. So verpuppt verharren
die Marienkäfer in absolutem Frieden und in
absoluter Ruhe. Nun beginnt für die
Marienkäferkinder die Zeit, in der sie sich auf
ihr Erwachsenendasein vorbereiten können, ganz
allein, ungestört, friedlich und in Ruhe. Leider
war ich nie ein Marienkäfer. Ich bin eher eine
Kaulquappe gewesen, doch dazu und zu dem „Warum“
später mehr.
Marienkäfer sind frei. Das wär ich auch gern.
Ich bin auf dem Weg, auch wenn er noch lang ist,
von der Kaulquappe zum Marienkäfer zu werden –
wenn es denn möglich wäre. Ich werde nie ein
Marienkäfer, werde immer ein Mensch bleiben,
doch kann ich mich besser und freier fühlen. Ich
möchte frei und glücklich sein. Mein größter
Ärger und meine größte Sorge, mein Kind, ist
gleichzeitig meine größte Hilfe.
Mein Kind ist sehr klug und clever. Ich erkenne
sie, ein Glück für mein Kind und Glück für mich.
Mein Kind kann ich fördern und verstehen wie sie
es braucht, ich arbeite meine eigene Kindheit
auf, denn ich war und bin ein hochbegabtes Kind,
das unabsichtlich verkannt, ja zerschmettert und
unterdrückt wurde. Letztlich bin ich der
Marienkäfer unter meinen Menschen, denn ich war
fast immer allein und einsam, obwohl ich niemals
wirklich allein war, ob Umfeld, ob Familie oder
Partner – dennoch.
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Die Kirschen und der Kinderfänger |
Einige Jahre zuvor, ich ging in die 1. Klasse,
war sich meine Familie auch mal wieder einig
gegen mich. Ohne Fragen zu stellen schlugen alle
nacheinander auf mich ein. Wie es dazu kommen
konnte Familienkloppe zu bekommen? Es hat keinen
interessiert warum, ich kam zu spät nach Hause,
viel zu spät. Sorge und Angst hätte ich ja noch
verstehen können. Doch diese allein in Gebrüll
und Schlägen zu äußern, ich weiß nicht, ob man
das mit sieben Jahren begreifen kann.
Was war passiert? Ich hatte Sommerferien, es war
warm und ich wollte an den Westerteich. Ich
durfte auch allein gehen mit Martina aus meiner
Klasse. Für eine kleine Phase war sie meine
Freundin, später sollte ich sie wieder mal von
ihrer anderen Seite kennenlernen, denn sie war
eine der Harpyien die mich quälten. Um 17.00 Uhr
sollte ich wieder zu Hause sein. Ich wollte mich
unbedingt daran halten, keinen enttäuschen.
Pünktlich um 16.00 Uhr marschierten wir wieder
zurück. Da ich die Uhr noch nicht lesen konnte,
fragte ich immer wieder die großen Jungen aus
Volkers Klasse nach der Uhrzeit, um ja pünktlich
zu Hause sein zu können, ja keinen Ärger zu
bekommen, denn das war eines der ersten Male,
die ich alleine los durfte zum Westerteich. Die
Freunde meines Bruders waren sogar so nett und
sagten mir pünktlich um 16.00 Uhr Bescheid, dass
es nun soweit wäre zu gehen. So gingen wir los.
Der Weg war weit, gefühlte sechzig Kilometer, in
Wahrheit sind es vielleicht drei bis vier
Kilometer, für kleine Kinderbeine dennoch eine
weite Strecke, vor allem bei einer so großen
Hitze.
Wir liefen den Weg entlang zurück, den wir am
hellen Mittag gekommen waren. Den steilen Weg
hinauf aus dem Westergrund zur Westerhöhe,
vorbei an den vielen Wochenendhäusern. An einem
blieben wir stehen und überlegten, ob das
wirklich das Wochenendhaus von Karl-Eduard von
Schnitzler, dem grausig aussehenden Mann aus dem
Fernsehen war, oder ob die Leute nur so redeten.
Dieses Haus war das größte und schönste
Wochenendhaus auf der ganzen Westerhöhe, es
hatte unten drin sogar eine Garage. Es musste
demnach wahr sein. Wir gingen weiter, immer die
Sicherheit im Nacken, wir sind ja rechtzeitig
losgegangen, da kommen wir auch rechtzeitig nach
Hause. Folgend unserem Heimweg kamen wir am
Westerberg vorbei. Auf dem Hinweg fielen uns die
Kirschbäume gar nicht auf, da wir nur das
Badevergnügen im Auge hatten. Plötzlich tauchten
vor unseren hungrigen Bäuchen diese Kirschbäume
auf, die voller roter süßer Kirschen hingen. Na
was blieb uns da anderes übrig, als auf den Berg
zu den Bäumen zu klettern und Kirschen zu essen.
Wir hatten ja noch Zeit, wir waren doch
rechtzeitig losgegangen. (Aus heutiger Sicht ist
mir klar: Den Weg vom Westerteich bis nach
Hause, könnte ich im straffen Fußmarsch binnen
20 Minuten zurücklegen – als Erwachsene, ein
Kind braucht wesentlich länger.) Es war gar
nicht so einfach an die Kirschen zu gelangen,
denn die Äste waren hoch und da hieß es klettern
und springen was unsere Kraft hergab.
Letztlich hatten wir uns schön sattgegessen. Wie
„weitsichtig“ von mir, denn Abendbrot bekam ich
an diesem Abend keines mehr. Doch nun zogen wir
weiter, denn uns war schon ein wenig bewusst,
dass die Zeit vergehen würde. Doch wie schnell
sie wirklich verging, davon hatten wir keine
Ahnung und dafür hatten wir auch keinerlei
Gefühl, wir konnten ja noch nicht mal die Uhr
lesen. Ein Stück Weges weiter, kam die nächste
Herausforderung auf uns zu. Wir mussten für
viele lange Meter an der Rückseite des
Friedhofes vorbei-gehen, kein Mensch war dort zu
sehen. Eine unheimliche Stille machte sich
breit. Das Licht wurde auch schon so komisch,
wahrscheinlich schien die Sonne nicht, weil die
Toten gleich aus ihren Gräbern steigen würden.
In unserem Gefühl war immer noch Nachmittag,
doch es war längst Abend geworden, es dämmerte
inzwischen. Was würde dann mit uns geschehen?
Würden die Toten uns mit in ihre Gräber ziehen,
würden wir nie wieder zurückkommen? Also mussten
wir vorsichtig diese Hürde nehmen. Wir
versteckten uns erst einmal und als wir sahen,
dass nicht einer der vielen Toten auf dem
Friedhof herumspazierte, nahmen wir all unseren
Mut zusammen und rannten so schnell wie möglich
am Friedhof vorbei die Straße hinunter. Auf der
anderen Seite der Straße begann noch dazu der
tiefe dunkle Wald. Was da für wilde Tiere
rauskämen, wenn die Sonne nicht schien, das
konnten wir vorher nicht wissen, auch etwas was
uns Angst machte. Gehört hatten wir schon so
vieles. Doch nur wenige Meter den Berg hinunter,
erwartete uns schon das nächste Problem. Da war
dieses Haus vor uns, neben uns der Wald der
immer gruseliger und düsterer wurde, hinter uns
der Friedhof. Doch ganz bestimmt kämen wir noch
rechtzeitig nach Haus, damit trösteten wir uns.
In Wirklichkeit war die Sonne längst
untergegangen, es dunkelte. Doch was nun tun?
Man nennt dieses Gebäude den „Kleinen
Staufenberg“, ein kleines Häuschen am Fuße des
Berges, direkt unterhalb des „Großen
Staufenberges“, welcher majestätisch auf dem
Berggipfel trohnt. Wir wussten aus sicherer
Quelle, nämlich von Angela aus der
Parallelklasse, dass in diesem Haus ein
„Kinderfänger“ wohnte. Wir glaubten ihren
Worten, denn sie erzählte uns, dass sie schon
ihre persönlichen Erfahrungen mit ihm gemacht
hätte und das nicht nur einmal. Was also tun?
Das gleiche wie am Friedhof! Warten was
passiert. Der Wald wurde immer schummriger und
gruseliger, schließlich stockdunkel. Der Wald
und die wilden Tiere darin, waren im Gegensatz
dazu, wenn uns der „Kinderfänger“ in die Hände
bekäme, das kleinere Übel. Denn bekäme der uns
erst einmal, dann würde es uns ganz übel gehen
und wir würden unser Zuhause nie mehr
wiedersehen und genau nur da wollten wir ja auch
hin – nach Hause – in die Sicherheit. Mit der
Gewissheit, es könnte uns im Wald ein wildes
Tier angreifen, versteckten wir uns doch lieber
hinter den dicksten Bäumen, die wir fanden. Die
Gefahr und die Angst vor uns, das Gleiche hinter
uns, neben uns und auch noch vor unserem
geistigen Auge. Es wurde immer finsterer um uns.
Es schien so zu sein, dass wir nun doch ein
bisschen zu spät nach Hause kommen würden.
Irgendwann war in dem „Kinderfängerhaus“ kein
Licht mehr an. Es ruschelte auch immer
bedrohlicher hinter und neben uns im Wald. So
fassten wir uns wieder ein Herz, nahmen uns noch
mal in die Arme, sprachen uns gegenseitig Mut
zu, griffen uns bei den Händen und rannten um
unser Leben. Wir liefen und liefen, so schnell
wir konnten, die Beine in der Hand. Endlich,
fast in Sicherheit. Wir standen auf der Straße,
auf sicherer Seite. Ein Auto mit Licht an
überrollte uns beinahe, als wir im Rausch der
Befreiung über die Straße flitzen.
Der Fahrer hielt an und fragte uns ob alles in
Ordnung sei mit uns. Klar war alles in Ordnung,
wir waren ja schließlich fast in Sicherheit. Wir
nahmen uns nochmals in die Arme und hüpften und
tanzten auf dem sicheren, gegenüberliegenden
Fußweg. Wir feierten uns ein wenig selbst, da
wir diese großen Gefahren, denen wir ausgesetzt
waren, so prima gemeistert, so mutig und so
schadlos überstanden hatten. Freien Herzens und
glücklich „überlebt“ zu haben, gingen wir
auseinander, nicht gingen, wir rannten
auseinander. Martina die Straße runter und ich
diese hoch. Bloß schnellstens nach Hause,
schnellstens in die totale Sicherheit, schnell
zur Familie. Am nächsten Tag sprach ich mit
Martina. Ihre Eltern hatten sich große Sorgen
gemacht, die großen Geschwister zum Suchen
losgeschickt. Als sie zu Hause ankam, da war
ihre Mama nur froh, dass sie wieder da war,
schimpfte zwar mit ihr, auch bekam sie eine
heftige Ohrfeige, doch nahm ihre Mama sie danach
in die Arme froh darüber, dass ihr Kind, um
welches sie sich sorgte wieder zurück war.
Martina konnte nach einem angsterfüllten und
aufregenden Tag ruhig und zufrieden einschlafen.
Und ich? Ich wurde auch mit einer „feurigen“
Begeisterung zu Hause empfangen. Es war doch nun
schon 23.30 Uhr. Ich war mir dessen in keiner
Weise bewusst. Ich war nur heilfroh, lebend,
ohne Schaden und in Sicherheit zu Hause
angekommen zu sein. Doch weit gefehlt. Mir
schwante schon was böses, denn das Auto meiner
Eltern stand nicht da. Ich ging also ins Haus.
Meine Schwester kam mir im Flur entgegen getobt.
Sie brüllte mich an, wo ich jetzt herkäme,
gleichermaßen packte sie mich und versohlte mir
so was von den Hintern, dass ich nur noch Sterne
sah. Damit nicht genug. Während sie mich schlug,
hörte ich die Stimme meines Bruders aus dem Bad.
Er schepperte irgendwas: „Wehe wenn ich
rauskomme, dann kannst du was erleben“. So war
es auch. Er kam aus dem Bad, meine Schwester
übergab mich an ihn wortlos und er schlug mich
auch wie ein Irrer, dabei hing ich schon in der
Luft, die Beine gen Himmel und der Kopf gen
Boden – immer schön auf den Hintern. Die ganze
Zeit der Schläge redeten sie auf mich ein, wie
böse ich sei, wie ungezogen, so einen Unsinn zu
machen. Beide drohten sie mir auch damit, dass
ich was erleben könne, wenn Mama und Papa nach
Hause kämen.
Was sollte da noch Schlimmeres kommen? War das
nicht schon Strafe genug? Ich war schon halb
bewusstlos vor Schmerz, Verzweiflung und
Schlägen. Was folgte erlebte ich bestimmt im
Schock und in Trance vor Schmerzen. Noch ehe
mein Bruder von mir abließ – alle beide
verprügelten mich gleich im Flur – tauchte Mama
im Flur auf. Ich flüchtete in die Küche, gewiss
der angekündigten Dinge, die da noch auf mich
zukommen würden. Und die Dinge kamen! Mama war
gerade im Begriff sich im Flur die Schuhe
auszuziehen, die Latschen anzuziehen, da
erblickte sie mich in der Küche. Mit einem Bein
barfuß, den Latschen in der Hand, kam sie wie
ein Bulldozer immer näher. Ich versuchte mich
aus lauter Angst zwischen Kühlschrank und
Küchentisch zu verkriechen. Doch ich entkam ihr
nicht. Ich kauerte mich zusammen, je näher sie
kam. Dabei sah ich den totalen Zorn in ihren
Augen, ihr Mund brüllte, doch was nahm ich gar
nicht mehr richtig wahr. Sie packte mich am
Bein, zog mein Bein in die Höhe, sodass ich wie
Schlachtvieh am Haken hing. Ohne Rücksicht auf
Verluste, ohne zu fragen was mir passiert war,
oder ob mich eventuell meine Geschwister schon
fast zu Tode geprügelt hatten.
Nein, sie übernahm mich von meinem Bruder, wie
der vorher von meiner Schwester. Ich strampelte
vor Angst, Verunsicherung und Panik.......
>>>weiter
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Übernachten im Kindergarten?
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An einem Nachmittag, ich glaube es war Herbst,
musste ich etwas länger im Kindergarten bleiben,
warum auch immer. Ausgerechnet an diesem
Nachmittag war Frau Ratzer nicht da, nur Frau
Dyll und die mochte ich nicht so sehr. Ich war
oben im Gruppenraum, von unten rief sie laut:
„Lisa, Du wirst abgeholt.“ Ich freute mich
endlich nach Hause zu kommen und rannte gleich
zur Treppe. Dort angelangt, blickte ich nach
unten. Voller Enttäuschung sah ich Frau Dyll
ganz allein vor der Treppe stehen, niemand war
neben ihr und sie grinste so komisch. Das
brauchte ich nun auch nicht noch, also wurde mir
klar, sie machte bloß einen blöden Scherz mit
mir und wollte mich ärgern. Da hatte ich keine
Lust drauf, also sagte ich ihr, dass ich ihr
nicht glaubte, drehte mich traurig um und
verschwand wieder im Gruppenraum. Nach und nach
gingen alle Kinder nach Hause. Es dunkelte, mir
wurde langsam etwas komisch zu Mute und
schließlich war ich mit Frau Dyll ganz allein im
Kindergarten. Auf einmal sagte sie mir, dass sie
nun den Kindergarten abschließen müsse und da
mich keiner abgeholt hätte, nähme sie mich mit
zu sich nach Hause. So kam es auch. Sie nahm
mich mit zu sich nach Hause. Dabei drängte sich
mir eine Frage auf: Hatte sie schon viele Kinder
so mitgenommen? Nein, ich bin mir sicher, ich
war die extreme Ausnahme. Ich saß ganz schön
verunsichert bei ihr in der Küche oder was das
war. Jedenfalls saß ich auf einem Sofa und davor
stand ein riesiger hoher Tisch, gegenüber ein
Büfett. Der Raum war sehr klein und sehr dunkel.
Draußen war es schon stockfinstere Nacht, nur
ein paar Sterne funkelten mir durch das kleine
Fenster zu. Für die Familie Dyll war es nun auch
an der Zeit das Abendessen zu machen. Frau Dyll
hatte drei Kinder, das jüngste war Ronny und
ging in meine Gruppe, seine Schwestern waren
beide je um ein Jahr älter. Wirklich
wahrgenommen habe ich sie an diesem Tag nicht.
Ich saß einfach nur verängstigt auf diesem Sofa
und blickte in meine eigene Ungewissheit und in
meine Trauer. Meine Familie hatte mich einfach
im Kindergarten vergessen und ich wusste in
diesem Augenblick nicht, ob ich sie jemals
wiedersehen sollte, oder ob sie mich überhaupt
noch haben wollten. Doch noch ehe ich mit dem
Abendessen beginnen konnte, in meiner scheinbar
„neuen“ Familie, stand jemand aus meiner „alten“
Familie in der Tür und brachte mich nach Hause.
Wer es war weiß ich nicht mehr, wahrscheinlich
war ich so traumatisiert, dass ich alles
folgende nur noch wie im Nebel wahrnehmen
konnte. ..................
>>>weiter
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Zigeuner, ich und meine Vergasung |
Vor ein paar Tagen sah ich ihn erst wieder, wie
des Öfteren. Herrn Schleswig, meinen ehemaligen
Geschichts- und Staatsbürgerkundelehrer. Heute
sehe ich ihn als alten gebrochenen, traurigen
Mann, in sich gekehrt und zurückgezogen. Heute
mag er Ende der Siebzig, Mitte der Achtzig sein,
seine Frau scheint schon lange verstorben, denn
er kauft beim Fleischer stets nur ein Schnitzel
oder eine Kammscheibe. Heute erkennt er mich
nicht mehr, ja er ist sogar so geknickt und
gestört, dass er nicht mal zurückgrüßt, wenn ich
ihn grüße und das seit Jahren ohne Reaktion,
seit Jahren vergebens. Dennoch grüße ich ihn
immer wieder und verspüre das seltsame
Bedürfnis, ihn einfach in den Arm zu nehmen und
zu vergeben. Stärker ist jedoch das Gefühl der
Angst, der Abscheu und ich spüre die Kälte des
mir von ihm gewünschten Todes, wenn ich diesen
Mann sehe. Ich bin froh darüber, dass er mir
nicht mehr in die Augen sieht – sehen kann und
der Glanz seiner Augen – der „Nazi-Tod-Glanz“
von damals, erloschen ist.
Was habe ich ihm zu vergeben? Ein Stück
Existenzangst, ein Stück Lebensmut, ein Stück
Lebensqualität. Warum? Ich bin ein sehr dunkler
Typ, als Kind wie heute auch noch: Tiefbraune
große Augen und dunkelbraune Haare. Darum nannte
er mich immer nur: „Berg, Du Zigeuner“. Eines
Tages im Geschichtsunterricht, behandelten wir
das Thema des Naziregimes, der Vergasung der
Juden und die derer, die nicht arisch waren.
Dazu gehörten auch die Zigeuner und seiner
Ansicht nach war ich eine von ihnen. Ganz
plötzlich aus dem Nichts plauzte er mitten im
Unterricht heraus: „Berg, Du Zigeuner, wenn wir
jetzt die Nazizeit hätten, dann wärest Du die
Erste, die ich in die Gaskammer schicken würde.“
Dabei hatte er so wahnsinnig leuchtende Augen
und grinste ganz unheimlich – dieses unheimliche
Grinsen mir gegenüber legte er nie mehr ab.
Gerade als wollte er mir damit immer sagen:
„Jetzt schicke ich Dich in die Gaskammer, gleich
wirst Du qualvoll sterben, denn Du bist unwertes
Leben und ich bin Adolf Hitler!“ Heute sieht er
nichts mehr, erblindet ist er aber nicht – sein
Grinsen ist lange schon erloschen – Gott sei
Dank.
Wir waren sechsundzwanzig Schüler in der Klasse,
viele davon waren dunkeläugig und dunkelhaarig.
Warum war ich allein der Zigeuner, warum war ich
die Einzige, die in die Gaskammer gehörte? Was
sollte dieser Ausspruch? Zu Hause wurde es wenig
ernstgenommen, und schnell darüber geschwiegen.
Es könnte auch sein, dass ich geschwiegen habe
und gar nichts sagte. Mein Inneres schweigt bis
heute nicht, fragt, zweifelt und will wissen.
Warum wollte mich, ausgerechnet nur mich, dieser
Mann in die Gaskammer schicken? War ich etwa ein
so lebensunwürdiger Mensch? Nur weil ich dunkle
Augen und dunkle Haare hatte, oder war da mehr?
Schleswig übrigens, war ein sehr parteitreuer
Zeitgenosse, er war der Parteisekretär in der
Schule und er unterrichtete auch
Staatsbürgerkunde. Er kannte keinen Spaß, wenn
es um die Durchsetzung der sozialistischen
Interessen ging. Doch in einem Punkt war er
Adolf Hitler gleich: Er fand mein Leben als so
unwürdig, dass ich den Tod in der Gaskammer
verdient hatte – wie auch immer er das mit
seinem sozialistischen Gewissen vereinbaren
konnte. .........
>>>weiter lesen im
Buch
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Scheuerlappen zu
Gasmasken, Sirenen und Atompilze |
„Bei der Feuerwehr wird der Kaffee kalt“,
darüber schrieb ich schon, doch hatte die Sirene
in den folgenden Jahren für mich eine derartige
Veränderung in ihrer Wahrnehmung installiert,
dass ich heute noch daran zu kämpfen habe. Ab
der Oberstufe hatten wir im Unterricht, einmal
im Jahr, einen „Gastlehrer“. Dieser war stets
von der NVA und fast immer der Gleiche.
Anfänglich erstreckte sich das von theoretischen
Stunden im Klassenzimmer, bis hin, in den
letzten beiden Schuljahren, zu dreitägigen
Einsätzen. Das Ganze nannte sich dann: „Tage der
Wehrbereitschaft“ und das ausgerechnet im
Winter. Die Jungs verbrachten diese Zeit in
einem GST-Lager (für alle nicht DDR-Geborenen:
Gesellschaft für Sport und Technik – eine Art
vormilitärische Organisation für Jugendliche).
Tagelang zogen die Mädchen der Klasse im
gespielten Krieg durch den Wald, ohne Rücksicht
auf Verluste. Egal ob wir nass oder
durchgefroren waren, stundenlang trieben uns
unsere Lehrer durch den nassen, hohen Schnee,
ständig in Deckung, denn jeden Moment könnten
unsere Feinde, die Deutschen auf der anderen
Seite, die Amerikaner oder sonst ein
Imperialist, eine Atombombe auf uns fallen
lassen – zumindest aber ein Bömbchen. Was für
ein kranker Schwachsinn.
Dieser Schwachsinn war allerdings nicht der
Grund, der mir mein nächstes, mein
Sirenen-Trauma bescheren sollte. Er – der
Implantator – hieß Major Kerner, ein fieser,
untersetzter und hässlicher, ja schmieriger Mann
mittleren Alters. Er war vom Wehrkreiskommando
und suchte uns alle Jahre heim. Er hatte
natürlich in der Hauptsache unsere Jungs im
Fokus, denn was gab es für einen Jungen
Größeres, als sich für fünfundzwanzig Jahre bei
der NVA zu verpflichten – so seine Suggestion.
Ich weiß, dass nur ein Junge aus meiner Klasse
sich auf dieses Spielchen einließ, denn dieser
war nur ein Schüler des oberen Durchschnitts,
wollte oder sollte auf Druck des Elternhauses
studieren. Der Schlüssel für ihn hieß: Nur drei
Jahre Armeeverpflichtung und Abitur und Studium
sind gesichert.
So war es auch, heute rennt er mit Aktenkoffer
durch die Gegend, fährt einen dicken BMW und
kennt seine Mitschüler nicht mehr.
Beim ersten Mal, als Major Kerner bei uns war,
veränderte sich für mich ein Leben lang das
Verhältnis zur Sirene. Kaum einer hörte zu, er
konnte sich trotz seiner mit Orden gespickten
Uniform und dem militärischen Ton, den kleinen
Rabauken gegenüber – meiner Klasse also – nicht
durchsetzten. Ich lauschte seinen Ausführungen
umso intensiver und sog auf und verinnerlichte
was er zu sagen hatte. Er hatte einiges
mitgebracht: Scheuerlappen, Plastikfolie,
Klebeband und eine Schautafel. Er zeigte uns,
wie man aus den mitgebrachten Sachen – außer der
Schautafel – in null Komma nix – im Falle des
Falles, die Imperialisten greifen uns mit einem
atomaren Erstschlag an – eine Gasmaske bauen
konnte. Irgendwie sah er schon witzig aus, als
er sich dieses Scheuerlappengebilde vor das
Gesicht band. Die rotunterlaufenen Augen
leuchteten gleich noch mehr, die Stirn glänzte
auch intensiver vor Schweiß und Fett, doch
konnte man nun zumindest die blau-rote
„Säufernase“ nicht mehr sehen. Die Schautafel
jedoch und alles, was er dazu ausführte war der
Knackpunkt, der mir zu schaffen machte – die
Gasmaske baute er erst danach, doch da war es
für mich bereits zu spät.
Auf der Schautafel waren schematisch die
verschiedenen Sirenenintervalle dargestellt.
Wann die Sirene wie oft und lange nacheinander
heult, wann welcher Alarm ist – schnöder
Feueralarm… doch dann ging es los: Da war ja
auch noch das Alarmsignal für biologische,
chemische oder sonst was für Angriffe aus dem
Imperialismus. Das, was mich am intensivsten
geprägt und verängstigt hatte, war der
Sirenenalarm für den atomaren Angriff. Ich
fotografierte diese Schautafel regelrecht mit
meinen Augen und pflanzte sie tief in meine
Seele, mein Gedächtnis – im Fokus die atomare
Katastrophe, die uns bald bevorstünde. Major
Kerner erklärte uns auch sehr anschaulich – oder
eher mir, denn es hörte ja
keiner weiter zu –
was beim jeweiligen Alarm dann passieren würde,
welche Überlebenschancen man mit Scheuerlappen
und ohne diesen hätte. Doch auch mit
Scheuerlappengasmaske – so fand ich schnell
heraus – hatte man keinerlei Überlebenschance.
Er meinte immer nur, sich in eine Ecke, weit weg
vom Fenster setzen – am besten in den Keller und
abwarten. Klasse Alternative – worauf warten?
Wenn ich in die Giftgaswolke liefe, oder mich
der atomaren Strahlung direkt aussetzte, hatte
ich da nicht zumindest die Möglichkeit,
schneller und mit weniger Qual zu sterben?
Außerdem würde einem so ein Anblick doch nur
einmal im Leben geboten, vielleicht hätte ich ja
durchaus einen grünen Himmel sehen können? Wozu
noch verstecken, wenn mich die Strahlen,
Bakterien und Mikroben oder das Gas doch ohnehin
„finden“ würden? So dauerte mein Tod doch nur
unnötig länger? Dass dies passieren würde, dass
wir uns in allernächster Zeit auf so einen
Angriff der Imperialisten ausgesetzt sehen
müssten, dass wir bald sterben müssten, das
verdeutlichte Major Kerner in jedem zweiten
Satz. Er sah unsere DDR und unser Leben in
akuter Gefahr, heute nennen wir das den „Kalten
Krieg“. Doch Major Kerner sprach stetig davon,
dass der Weltuntergang mittels biologischer,
chemischer oder gar – und das am
Wahrscheinlichsten – atomarer Waffen, kurz bevor
stünde – zumindest für die sozialistische Welt,
denn die Strahlung machte ja an der Systemgrenze
halt – also mitten im Harz, hier bei uns.
Ich ging an diesem Tag mit einer schrecklichen
Entsetztheit und einer wahnsinnigen Angst nach
Hause. Ich schwieg. Es hatte eh keinen Sinn mit
meinen Eltern darüber zu reden, sie hätten meine
Angst bestimmt nicht ernstgenommen. Fortan war
es mir mehr als eine Angstattacke und ein Horror
die Sirene hören zu müssen, vor allem, wenn ich
allein in meinem Bett lag. Es war grausam. Ich
hatte niemanden mit dem ich über meine Ängste
und Sorgen reden konnte, also blieb ich mit
diesen allein. Jedes Mal wenn die Sirene ertönte
geriet ich in Panik. Ich verkroch mich unter die
Bettdecke, so tief und gut ich nur konnte, kroch
unter das Kissen, krampfte mich in
Fötus-Stellung zusammen, hielt meine Ohren zu.
Doch nichts half, ich hörte immer noch das erste
Sirenensignal, dann das nächste und dann…das
vierte? – das Atomsignal? Ich zitterte am ganzen
Leib, denn ich erwartete den Atomtod. Ich
wusste, erst kam der Pilz, dann die Druckwelle
mit der Hitze und dann der Ascheregen. Den
Ascheregen würde ich nie erleben, damit tröstete
ich mich wiederum, denn dann wäre ich ja schon
lange tot, da ich in der Hitze und dem Druck der
Druckwelle ohnehin in meine Bestandteile
zerschmolzen wäre.
Mir war absolut bewusst, dass meine Decke kein
Schutz vor dem Atompilz war. Lieber wäre ich bei
jedem Mal, wenn die Sirene anging, mit meiner
Bettdecke in den Keller geflüchtet, ich hatte
auch schon die sicherste Ecke im Auge, denn ich
wollte ja leben. Doch was hätten meine Eltern
und Geschwister gesagt, gemacht? Mich
ausgelacht? Sie wussten doch nichts von meinem
Problem. Geredet, woher meine Angst und meine
Sorge kommen, hatte ich ja mit keinem.
Andererseits war ich auch sehr versucht, dem Tod
ins Auge zu blicken. Denn wenn die Sirene den
vermeintlichen Atomalarm heulte, dann musste
doch auch die Atom-bombe direkt über der Stadt
abgeworfen worden sein? Dann müsste man den
Atompilz auch klar und deutlich sehen können –
wir wohnten ja schließlich am
Stadtrand oben auf
dem Berg und die Bombe fiele, wenn sie fiele,
mit Sicherheit in die Mitte, da wo die Schule
und das Rathaus standen. Einerseits wollte ich
das gern sehen – wann hatte man schon diese
Gelegenheit? Nur einmal! Ich zog es dann doch
eher vor, mich unter meiner Decke zu verkriechen
und mein Schicksal abzuwarten. Ich lag da und
wartete auf ein Leuchten durch meine Bettdecke
hindurch und dann darauf, dass die Druckwelle
diese hinweg wehte, die Dachschräge
zusammenbrach, mir die Dachziegeln um die Ohren
flögen und ich ins Nichts geschleudert würde und
verglühte..........
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Buch
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Durchschnittlicher Durchschnitt sein |
Oft fragte ich Eltern, Geschwister und Lehrer
nach meinem Sein. „Wie bin ich denn?“ Scheinbar
verstand ich mich selbst nicht so recht und
suchte Sicherheit und Antworten in der Meinung
der Erwachsenen. Ich war durcheinander, denn ich
spürte, ich bin anders und wusste nicht warum
und wieso. Alle gaben mir stets die gleiche
Antwort: „Du bist ganz gewöhnlich wie jeder
andere, Du bist mittlerer Durchschnitt!“ Damit
konnte ich nie zufrieden sein, wurde immer
unglücklicher. Ich wusste damals nicht, warum
ich mich nach jeder dieser platten Antworten so
schlecht fühlen musste. Heute weiß ich das, doch
erst seit einigen Wochen. Noch bis vor kurzem
verstand ich die Welt nicht, nicht mal meinen
eigenen Mann. Warum?
Wenn ich doch nur so gewöhnlich und
durchschnittlich sein sollte wie alle anderen,
warum kann dann eigentlich keiner meinen
Ansprüchen und meinen Bedürfnissen entsprechen?
Warum denkt keiner so um die Ecken wie ich, dass
die Ecken so unzählig sind, dass sie schon
beinahe einen Kreis ergäben, wenn man sie
rotieren ließe? Warum empfinde ich die meisten
Menschen als oberflächlich, primitiv und dumm,
obwohl ich doch genauso durchschnittlich sein
soll wie sie? Mal ganz abgesehen von den
wirklich dummen und primitiven Menschen – davon
kenne ich einige in nächster Nähe. Warum kann
keiner was so schnell lernen und dazu noch so
genau und fein säuberlich auch machen und
umsetzten wie ich?
Antwort heute: Weil ich nicht durchschnittlich
bin – ich bin anders: „hochbegabt –
hoch-intelligent“. All diese Fragen und
Reibepunkte führten mich und meine Mitmenschen,
ohne dass sie es mitbekommen konnten worum es
ging, in Konfliktsituationen, in Ärger und
Groll, in Unverständnis und Unsicherheit. Mich
als Kind zu Strafen, zum Scheitern und letztlich
zur absoluten Selbstaufgabe. Ich verspürte das
alles sehr deutlich, bei den meisten anderen
wage ich das zu bezweifeln.
Ich bin anders. Das äußert sich in all meinem
Tun und Denken – zum Beispiel: Ich hasse nichts
mehr als grob
geschnittene Zutaten in einer
Suppe. Ich hasse nichts mehr, wenn der Läufer in
meinem Flur nicht auf den Zentimeter genau
zentriert auf dem Friesmuster der Fliesen liegt.
Ich hasse nichts mehr, wenn alle Dekoration und
Fläschchen auf der Badewannenablage nicht auf
den Zentimeter genau ausgerichtet stehen. Ich
hasse nichts mehr, wenn die Erde im Garten nicht
wie frisch geharkt aussieht und absolut
unkrautfrei ist – wehe nur ein Grashälmchen
versteckt sich irgendwo. Ich hasse nichts mehr
als Unpünktlichkeit und Bummelei, wehe der
Zeitplan wird nicht eingehalten… Genauso verhält
es sich mit allen geistigen Dingen, wie sich
etwas zu merken, schnell aufzufassen und
umzusetzen. Ich versuchte mich zu zwingen, das
alles etwas „durchschnittlicher“ zu sehen, zu
leben und umzusetzen, doch es ist nicht möglich
vom totalen Pedanten zum „Normalo“ zu werden –
ich will und werde das nicht. Ich werde ich
bleiben. Pedant weil hochbegabt, doch einen
zufriedenstellenderen Weg für mich finden damit
umzugehen, indem ich mich selbst gewähren lasse
und nicht mehr so hart rannehme. Also netter zu
mir selber bin. Ich lerne langsam mich zu
respektieren und meine „schrulligen Eigenheiten“
zu lieben, zu lächeln über meine „Macke“, wenn
ich mich auf den Boden schmeiße und den schief
liegenden Läufer zum fünfundzwanzigsten Mal am
Tag neu ausrichte. Es reicht mir nämlich. Ich
will, muss ich sein können – dürfen.
Doch auch in den geistigen Dingen, waren in
meinen Augen die meisten Menschen Spätzünder und
Nichtsversteher – bitte verzeih mir, falls Du
Dich angesprochen fühlst, doch Du wirst gleich
verstehen, wie ich es meine! Meiner Logik,
meiner queren und meiner weitsichtigen Denkweise
konnte und kann keiner folgen. Alle, aber auch
alle, habe ich dafür verurteilt, denn es konnte
doch nicht sein, dass durchschnittliche Menschen
wie ich einer sein sollte, so schlampig, so
oberflächlich und so unüberlegt sind. Selbst
mein Herrmann hatte sehr darunter zu leiden,
obwohl er ein sehr kluger, gebildeter und
intelligenter Mann ist. Doch ich empfand ihn als
oberflächlich und schlampig. Oftmals gab das
Anlass zum Streit und zum Ärger, vor allem für
mich, denn ich hatte stets lange darüber
nachzudenken, warum die Durchschnittlichen so
unterdurchschnittlicher waren als ich. Auf die
Antwort kam ich erst mal nicht. Tag und Nacht
kam ich nicht zur Ruhe, weil ich auf diese Frage
keine Antwort finden konnte. Alles wurde von Mal
zu Mal schlimmer, demütigender und schmerzlicher
für mich..................
>>>weiter
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